Die Heldin reist
Neulich habe ich mir Doris Dörries Bestseller Die Heldin reist gekauft und den schlanken, autofiktionalen Text in wenigen Tagen gelesen. Durchaus unterhaltsam. Jedoch hat mich das Buch sehr unbefriedigt zurückgelassen.
Dies soll keine Literaturkritik sein und schon gar nicht eine Bewertung von Doris Dörries Fähigkeiten als Autorin, die meine volle Bewunderung und Wertschätzung für ihre Schaffenskraft als Drehbuchautorin, Regisseurin, Autorin und Universitäts-Dozentin hat. Ich möchte jedoch meine Empfindungen und Gedanken zur Lektüre erläutern, denn es geht dabei um uns alle – insbesondere um uns Frauen – und die Geschichten, die wir uns erzählen.
Im Klappentext von Die Heldin reist steht:
In einer sehr persönlichen Mischung aus Erinnerungen, Reflexionen und Geschichten erzählt Doris Dörrie von drei Reisen in die USA, nach Japan und Marrakesch. Ihr roter Faden ist dabei die Heldenreise, ein Urmythos, den wir heute auch aus unzähligen Hollywood-Filmen kennen. Der aber für eine Frau in der Hauptrolle gar nicht vorgesehen ist.
Im ersten Kapitel kann ich noch gedanklich mit der Autorin mitgehen, wenn sie die Heldenreise, den Monomythos, als immer gleiches Narrativ von Aufbruch, Kampf und Rettung in Frage stellt und sich wundert, ob es Sinn macht, die Heldinnenrolle a la „Superwoman“ zu verwenden, um Geschichten zu erzählen.
Vielleicht sei die weibliche Dramaturgie eine andere, nicht Kreis- sondern wellenförmig, konstatiert Dörrie. Sie stellt somit sehr wichtige Fragen auf, doch geht damit nicht in die Tiefe und somit bleiben aus meiner Sicht die Antworten aus.
In den folgenden Kapiteln wird unterhaltsam über die Eigenarten von Frauen reflektiert und Reiseberichte geben interessante Einblicke in kulturelle und persönliche Lebenseinstellungen. Es bleibt jedoch bei Unterhaltung. Lösungen für die Frauen, die Jahre lang auf Männer warten, missbraucht werden oder aus Angst und Zurückhaltung dieses und jenes nicht wagen, sich stattdessen den Begebenheiten anpassen, werden nicht aufgezeigt.
Da ich mich natürlich mit dem Monomythos nach Joseph Campbell, der die Grundlage aller verfilmten Heldenreisen darstellt, beschäftigt habe, kann ich zum einen zur filmischen Umsetzung der Geschichtenstruktur des Mythenforschers folgendes sagen:
In Campbells aus allen Kontinenten gesammelten mythischen und ursprünglichen Geschichten ergeben sich durchaus Frauenbilder, die der Betrachtung lohnen! Und wenn man sich auf diese einlassen kann, dann macht auch die heroische Reise des männlichen Helden Sinn – für beide Geschlechter. Joseph Campbell führt zum Beispiel Göttinnen an, die große Macht über Leben und Tod haben. Oder die Rolle der „weisen Frau“, die den männlichen Helden bei seiner Suche unterstützt, indem sie ihm Zeichen sendet oder einen Schutzzauber mit auf den Weg gibt. Oder die Rolle der Liebenden, die auf ihren „Retter“ anscheinend wartet – beleuchten wir dieses Warten aus mythologischer Perspektive, dann können wir erkennen, dass der Held eine Reise (oder ein Abenteuer) bestehen muss, um gewisse (Herzens-) Fähigkeiten zu entwickeln, damit er der Frau ebenbürtig gegenüber treten kann. Ist das nicht eine wahrlich respektvolle und ehrende Darstellung der Frau?
Was wir daraus machen, als Geschichtenerzähler und als Menschen, in unserem Alltag, das liegt an uns – und das ist bedeutsam. Ganz besonders jetzt, in dieser Zeit, in der das Patriarchat mehr und mehr ins Bröckeln gerät. Ich glaube, dass es jetzt nicht darum geht, eine neue Emanzipationswelle einzuläuten. Sondern, dass wir Frauen wieder lernen uns selbst zu ehren, mit unserer intuitiven Weisheit und Geduld, mit unserer Liebesfähigkeit und lebensspendenden Energie.
Wichtig finde ich vor allem, dass wir, Frauen wie Männer, unsere Geschichten so erzählen, dass wir uns damit wirklich identifizieren können. Hast du Lust deine Geschichte (neu) zu gestalten? Begebe dich auf deine Heldenreise!