Storytelling ist in aller Munde. Ganz ehrlich: Das geht mir manchmal ganz schön auf die Nerven.
In meiner Drehbuch Ausbildung habe ich gelernt, wie man die Struktur einer Geschichte meistern kann, wie viel Handwerkszeug dazu gehört, und welche Knochenarbeit es bedeuten kann, die eigenen Fantasien und Vorstellungen in eine Form zu bringen, die einem Publikum logisch erscheint und auch noch vermag, eine bestimmte Wirkung zu erzielen.
Ich habe andererseits auch gelernt, dass Menschen spontan gute Geschichten erzählen können, weil das Leben uns mit Geschichten beschenkt. Weil sie Erfahrungen gesammelt haben, die teilenswert sind, weil sie eine Idee vermitteln, eine Moral oder Erkenntnis transportieren, oder, weil sie mit einer gezielten Pointe einfach gut unterhalten.
Wenn aber das Bild vom Ski-Urlaub auf facebook als „Story“ betitelt wird, oder Mr. XY seine gesammelten Werke des Waschbrettbauches, Hundestofftieres und der Treffen mit besten Freunden unter „I am a Storyteller“ verkauft, dann fehlt mir dafür jegliches Verständnis. Nichts gegen schöne Bilder. Nur nennen wir doch bitte nicht jedes Bild oder jede wild zusammen geworfene Bilderreihe „Geschichte“.
Nein, der Hundeblick in die Kamera ist keine Story! Nein, der beste Fitnesstrainer ist kein Storyteller! Und nein, nur weil man sich mit attraktiven Freunden oder gut aussehenden Freundinnen zeigt, hat man mir noch lange keine Geschichte erzählt. Auch nicht, wenn ein Zitat von Alfred Hitchcock oder den Gebrüdern Grimm dazu geschrieben wurde.
Was ist also Storytelling, das Erzählen einer Geschichte, und wie kann ich es anwenden?
Wenn ich Storytelling nutzen möchte, dann sollte ich mir zuerst ehrlich die Frage beantworten: Wozu? Möchte ich erzählen, um des Erzählens willen, weil ich mich dabei so toll fühle? Weil ich mich selbst gerne reden höre? Oder liegt in meiner Geschichte etwas, das den Zuhörern helfen kann oder das sie berührt, das sie im besten Fall dazu veranlasst, etwas Positives zu tun?
Wenn Sie also wirklich etwas zu erzählen haben, dann kann es hilfreich sein, sich an den Grundstrukturen von guten Geschichten zu orientieren.
Geschichten, die stark wirken, beruhen auf Basic Plots. Diese archetypischen Handlungsmuster sprechen universelle Themen in uns Menschen an. Christopher Booker (Autor von: „The 7 Basic Plots: Why We Tell Stories.“) hat 7 Handlungsstrukturen identifiziert, auf denen alle Geschichten weltweit beruhen sollen. Davon gebe ich hier drei Beispiele.
1. Das Monster überwinden
Beispiele für diesen Basic Plot sind „Jurassic Parc“, „Dracula“, „Der Weiße Hai“, „David gegen Goliath“. Hier geht es um die Thematik der menschlichen Entwicklung. Menschen wachsen an ihren Aufgaben und das Monster stellt eine überdimensionale Herausforderung dar. Es regt ungeahnte Kräfte an und fordert den Menschen zu innovativen Lösungsansätzen und besonderen Kraftanstrengungen heraus.
Vielleicht haben Sie schon einmal ein Monster besiegt? Also eine Herausforderung gemeistert, die zunächst unüberwindbar schien? Das kann ein inneres Monster sein, wie zum Beispiel Flugangst, oder Angst vor öffentlichen Auftritten. Es kann eine schwere Krankheit sein. Oder ein äußeres Ereignis, wie eine Gerichtsverhandlung, ein Wettkampf… Was auch immer Sie gemeistert haben, sicher hilft es anderen, wenn Sie ihnen davon erzählen, ihre eigenen Monster zu besiegen.
2. Vom Tellerwäscher zum Millionär
Beispiele für dieses Plot Muster sind „Aschenputtel“, „Das Streben nach Glück“, „Erin Brockowich“. Auch wenn es den Amerikanern besser gelingt als den Deutschen, sich mit Menschen zu freuen, die den „Sozialen Aufstieg“ geschafft haben, so ist doch dieses Muster auch eine Geschichte, mit der sich so ziemlich jeder identifizieren kann. Wer hat nicht schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Fleiß und Durchhaltevermögen sich ausbezahlt haben?
Gibt es eine Geschichte dazu aus Ihrem Umfeld? Vielleicht ein erfolgreiches Projekt, das nur durch den unermüdlichen Einsatz eines engagierten Teams zustande gekommen ist? Oder ein Mitarbeiter, der als ungelernte Arbeitskraft begonnen hat und mittlerweile eine Abteilung leitet… Das sind erzählenswerte Geschichten und gleichzeitig Referenzen für Ihr Unternehmen.
3. Wiedergeburt
Das ist wohl die kraftvollste archetypische Erzählweise. Die Jesus Geschichte. Schneewittchen. Und, zumindest in Teilen: Star Wars.
Geburt – Tod – Wiedergeburt, das ist die Natur des Lebens. In uns Menschen sterben immer wieder Teile der Persönlichkeit und man tritt in eine neue Lebensphase ein. Das kann als Wiedergeburt bezeichnet werden. Tiefgreifende spirituelle Erlebnisse werden manchmal so beschrieben.
Etwas sterben zu lassen bedeutet, es loszulassen. Dann geht man durch die Phase der Trauer und es entsteht etwas ganz Neues.
Diese Geschichten, authentisch erzählt, können die Zuhörer tief berühren. Sie schaffen Verbindung und stiften Sinn.